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Neues aus der Forschung: Verständlichkeit und Dogmatismusgrad der Kurz-Wahlprogramme in Nordrhein-Westfalen

10. Mai 2012

Im dritten und letzten Teil der Wahlprogramm-Analyse für Nordrhein-Westfalen möchte ich noch einen Blick auf das Programmangebot und die verschiedenen Kurz- und Leichtfassungen der Wahlprogramme werfen. Denn wenn man ehrlich ist, sind dies wohl die Programmfassungen, die von den meisten Menschen gelesen werden. Die Langfassungen dürften sich hingegen v.a. Journalisten und eine überschaubare Gruppe von Politik-Junkies durchlesen – und eventuell die Parteimitglieder selbst, spätestens bei möglichen Koalitionsverhandlungen.

Programmangebot der Parteien

Auch beim Programmangebot der Parteien gibt es erhebliche Unterschiede. So erhält man die Programme von CDU, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und Linkspartei auch in einer Kurzversion, von SPD und Piratenpartei aber nicht. Bei der FDP kann der interessierte Bürger sogar zwischen dem – ohnehin schon sehr kurzen – Wahlaufruf, den „Programmschwerpunkten“ und einer extra kurzen Kurzversion („Faltblatt zur Landtagswahl“) wählen.

Bündnis 90 / Die Grünen bieten zudem die Präambel ihres Programms als Audio-Version an (gelesen von Gesundheitsministerin Barbara Steffens). CDU und FDP verzichten bedauerlicherweise auf Kurz-Programme in leichter (barrierefreier) Sprache, während SPD, Grüne, Linkspartei und Piratenpartei beweisen, dass es trotz der kurzen Vorbereitungszeit möglich ist, solche Programmfassungen zu erstellen. Das längste Wahlprogramm hat die Linkspartei (63 Seiten bzw. etwa 39.000 Wörter), das kürzeste die FDP (5 Seiten bzw. etwa 2.600 Wörter).

Verständlichkeit von Kurzfassungen und leichten Fassungen

Die Kurzfassungen der Programme fallen fast alle verständlicher aus als die Langfassungen. Ausnahme sind die „10 guten Gründe“ der CDU, deren Verständlichkeitswert (8,7 Punkte) unter dem Wert für den vollständigen Wahlaufruf (10,6 Punkte) liegt. Auch die „Programmschwerpunkte“ der FDP fallen nicht verständlicher aus als der vollständige Wahlaufruf (10,8 Punkte). Wir haben sie in der Grafik jedoch nicht aufgeführt, da es noch eine kürzere Kurzfassung gibt (das oben bereits erwähnte „Faltblatt zur Landtagswahl“).

Besonders verständlich fallen die „10 Gründe für Grün“ von Bündnis 90 / Die Grünen aus, deren Verständlichkeit fast an Politik-Beiträge in der BILD-Zeitung heranreicht (15,7 Punkte). Die Kurzfassungen in leichter Sprache halten ihr Versprechen erfreulicherweise ausnahmslos ein und erreichen jeweils volle 20 Punkte auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex.


Dogmatismusgrad von Kurzfassungen und leichten Fassungen

Der Dogmatismusvergleich der verschiedenen Programmfassungen führt zu einem überraschenden Ergebnis: Mit Ausnahme der leichten Fassung der Grünen fallen alle kurzen und leichten Fassungen deutlich dogmatischer aus als die Langfassungen. Spitzenreiter ist hier die Linkspartei mit rekordverdächtigen 0,59 Punkten auf der Dogmatismusskala. Zum Vergleich: Der höchste bislang in unseren Analysen gemessene Werte lag bei 0,49 Punkten (Wahlaufruf der NRW-CDU).

Auch die Kurzfassungen in leichter Sprache fallen teilweise äußerst dogmatisch aus: So liegt die leichte Fassung der SPD mit 0,52 Punkten deutlich über dem Dogmatismuswert der Langfassung (0,38 Punkte). Auch die FDP stößt mit ihrer Kurzfassung in Gefilde vor, die in unseren bisherigen Analysen v.a. für Linkspartei und Piratenpartei reserviert waren (0,46 Punkte).

Fazit: Die kurzen und leichten Fassungen der Wahlprogramme unterscheiden sich im Hinblick auf Verständlichkeit und Dogmatismusgrad deutlich von ihren „großen Geschwistern“. So führt die Kürzung der Programme fast in allen Fällen zu einer höheren Verständlichkeit, aber gleichzeitig auch zu einem höheren Dogmatismusgrad.

Der höhe Dogmatismusgrad überrascht insbesondere deshalb, da den Kurzprogrammen eine deutlich höhere Reichweite unterstellt werden kann als den Langfassungen. Warum sich die Parteien hier also dogmatischer geben als in den Langfassungen, erschließt sich mir nicht. Schließlich geht es bei den meisten Parteien um die Überzeugung einer relativ heterogenen Zielgruppe. Und hierfür ist eine dogmatische Sprache sicherlich eher hinderlich als förderlich.

P.S.: Die komplette Ergebnis-Präsentation zu unserem Wahlprogramm-Check kann man hier als PDF herunterladen. Und hier gibt es auch noch die offizielle Pressemitteilung.

Und hier die Links zum ersten und zweiten Teil unserer Wahlprogramm-Analyse:

 

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