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US-Wahlkampf, Lektion 8 (Teil 3): Setze opportune Zeugen ein, so oft du kannst

21. Juni 2012
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Ich habe in diesem Blog bereits mehrfach auf die Strategie des Einsatzes von opportunen Zeugen im Wahlkampf verwiesen. In den USA wird diese Taktik besonders gern und häufig im Angriffswahlkampf verwendet. In den meisten Fällen kommen dabei Zitate aus glaubwürdigen Medien, Zitate von Politikern (am liebsten aus der eigenen Partei des Angegriffenen) und Zitate des angegriffenen selbst zum Einsatz. Kurz: Je glaubwürdiger der Zeuge, d.h. je weniger er oder sie unter dem Verdacht steht, nur ein Komplize des jeweligen Angreifers zu sein, und je prominenter dieser glaubwürdige Zeuge ist, desto besser.

In selteneren Fällen werden aber auch gänzlich unbekannte opportune Zeugen für Spots herangezogen. Hierbei kann man zwischen drei typischen Gruppen von Spots unterscheiden: Die erste Gruppe bilden die „Normal-Bürger-Spots“, die möglichst nah dran sein sollen am Zuschauer und ihm quasi „aus der Seele sprechen“ sollen. Die Glaubwürdigkeit wird hier also nicht durch Prominenz und anerkannte Neutralität hergestellt, sondern durch „Nähe zum Zuschauer“.

Auch wenn man sich natürlich nie ganz sicher sein kann, ob es sich bei diesen „Normal-Bürgern“ eventuell um bezahlte Schauspieler handelt bzw. um glühende Anhänger des jeweiligen Angreifers, die sich nicht wirklich um eine Prüfung der Argumente beider Seiten bemüht haben. Ein aktuelles Beispiel für solch einen „Normal-Bürger“-Spot ist der Spot „Recover Our Country“, der gestern von Mitt Romneys Kampagne veröffentlicht wurde:

Wichtiges Merkmal des Spots: Die auftretenden Personen sind anonym, es werden keine Namen eingeblendet, man kann also auch nicht wirklich nachvollziehen, um wen es sich da eigentlich genau handelt. Allerdings werden durch die Hintergrundgestaltung der einzelnen Szenen subtile Hinweise dafür geliefert, dass es sich um Bürger aus unterschiedlichen Berufsgruppen handelt, zudem sieht man ihnen natürlich das unterschiedliche Alter und die unterschiedlichen Geschlechter (in Spots der Demokraten häufig auch: die unterschiedlichen Hautfarben) an. Die Botschaft: Egal, wie alt man ist, welchen Beruf man hat oder welches Geschlecht: Es gibt immer einen guten Grund, gegen Obama zu sein.

Die zweite Kategorie dieser „Bürger-Spots“ sind Spots, bei denen gezielt bestimmte Berufs- oder Bevölkerungsgruppen herausgegriffen werden und der Fokus des gesamten Spots auf dieser einen Gruppe liegt. Naheliegenderweise handelt es sich bei diesen Gruppen immer um Bevölkerungsgruppen, denen natürlicherweise eine große Sympathie bzw. großes Vertrauen entgegengebracht wird und die sich gut für die jeweilige Botschaft eignen. Ein aktuelles Beispiel für solch einen Spot ist der „Care“-Spot der konservativen Interessengruppe „Concerned Women for America„, in dem eine Ärztin als Gegnerin von Obamas Gesundheitsreform auftritt:

Eine kleine Internet-Recherche mit dem Namen der Ärztin zeigt: Offensichtlich gibt es sie wirklich, es handelt sich also nicht um eine Schauspielerin (allerdings hat sie in diesem Arzt-Bewertungsportal keine besonders gute Durchschnittsbewertung ;-)). Man braucht für solch einen Spot aber nicht unbedingt real existierende Personen, wie der „Basketball“-Spot des Super-PACs „Crossroads GPS“ zeigt, in dem eine fiktive Mutter (aus deren Fiktivität auch kein großer Hehl gemacht wird, da sie während des Spots plötzlich um Jahre altert) die dramatischen Folgen der Wirtschaftskrise für ihre Familie (für die natürlich Obama verantwortlich ist) erläutert:

Es fragt sich schließlich, welche Art von „Bürger-Spots“ wohl das größte Überzeugungspotenzial bei den Wählern hat. Leider kenne ich bislang keine Studie, in die Wirkung von Angriffsspots, in denen Bürger als opportune Zeugen auftreten, systematisch miteinander verglichen wird. Allerdings wäre solch ein Vergleich auch nicht ganz einfach, da die Überzeugungskraft natürlich auch immer stark von der Machart und den spezifischen Inhalten jedes einzelnen Spots abhängt. Man müsste also streng genommen denselben Spot in unterschiedlichen Ausführungen und mit unterschiedlichen Arten von opportunen „Bürger-Zeugen“ produzieren, um die Wirkung valide vergleichen zu können, was zu einem sehr großen Aufwand führen würde.

Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass der Ärzte-Spot von allen drei oben vorgestellten Spots der glaubwürdigste und damit auch überzeugendste Spot ist: Denn erstens weiß eine Ärztin doch, wovon sie spricht, wenn sie die Gesundheitsreform kritisiert und zweitens genießen Ärzte mit das höchste Ansehen aller Berufsgruppen (wie zahlreiche Befragungen zeigen). Hinzu kommt schließlich, dass der Name der Ärztin im obigen Spot eingeblendet wird und damit der Verdacht entkräftet wird, dass es sich nur um eine bezahlte Schauspielerin handelt. Dass es auch unter Ärzten glühende (und möglicherweise verblendete) Anhänger der Republikaner gibt, dürfte da bei vielen Zuschauern kaum eine Rolle spielen…

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